Gemeinwesenorientierte Therapie

Der Begriff „Gemeinwesenorientierte Ergotherapie“ bezieht sich auf einen relativ neuen Aufgabenbereich außerhalb des klassischen ergotherapeutischen Stellenprofils in der kurativen Versorgung. Er ist auf Fragestellungen im sozialen Bereich ausgerichtet, sein Selbstverständnis und Handlungsrahmen ergibt sich aus aktuellen Herausforderungen im Sozial- und Gesundheitswesen (Beispiele: demografischer Wandel, soziale Ungleichheit, internationale Migrationsprozesse). Wichtige theoretische Grundlagen bestehen einerseits in der internationalen Literatur zu Betätigungsgerechtigkeit und andererseits in der deutschsprachigen Literatur zu gesundheitlicher Chancengleichheit.

Die Gemeinwesenorientierte Ergotherapie

  • …  basiert auf der Annahme, dass Möglichkeiten zur bedeutungsvollen Betätigung Einfluss auf Wohlbefinden und Gesundheit haben (können)
  • …  fokussiert anstelle der uns vertrauten Handlungsachse Krankheit/Behinderung – Gesundheit die uns noch ungewohnte Handlungsachse Exklusion – Inklusion, d.h. die Wahrnehmung und Sensibilisierung für Ausgrenzungsmechanismen und die Stärkung von Gemeinschaftsprozessen
  • …  sieht Gesundheit als Frage der gesellschaftlichen Teilhabechancen (Bürgerbeteiligung) und damit der Gerechtigkeit
  • …  befasst sich mit der kollektiven Dimension von Betätigung, also mit der Frage nach gemeinschaftlichen Betätigungen (z.B. gemeinsame Kochabende, Stadtteilfeste, Kunst, Bewegungs-, Tanz, Musikprojekte…)
  • …  schreibt dem sozioökonomischen Kontext von Betätigung besondere Bedeutung zu (d.h. sie fordert eine sozialpolitische Auseinandersetzung mit Betätigung und die Übernahme von politischer Verantwortung in der Ergotherapie)
  • …  betont die Schnittstellenfunktion der Ergotherapie zwischen Gesundheits- und Sozialbereich

Mögliche Zielgruppe:

  • Menschen mit sozioökonomischen bzw. politisch bedingten
  • Betätigungseinschränkungen
  • Menschen mit gesellschaftlichen Inklusion bzw. Teilhabeproblemen
  • Menschen in Lebensübergangssituationen
    (z. B. Elternschaft, Tod des Partners/der Partnerin, Verlust des Arbeitsplatzes)
  • z. B. von sozialer Isolation bedrohte ältere Menschen, Bewohner/innen von Stadtteilen mit besonderem Förderbedarf, sozial benachteiligte junge Familien oder Alleinerziehende, sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche, Flüchtlinge, Wohnungslose, Langzeitarbeitslose, Menschen mit Behinderung, Menschen mit psychischen Problemen, …

Projektbeispiele:

  • partnerschaftliche Arbeit mit einer Gruppe, die über ein bestimmtes
  • Setting erreicht werden kann
  • Kooperation mit Selbsthilfegruppen
  • Stadtteilarbeit von Praxen der Ergotherapie, z.B. Angebote im Stadtteil, Vernetzung im Stadtteil
  • interdisziplinäre Netzwerkarbeit
  • generationenübergreifende Projekte
  • soziale Schichten übergreifenden Projekte
  • künstlerische Arbeit zur Schaffung von Identifikations- und Repäsentationsmöglichkeiten
  • Schaffung von Begegnungsorten mit Anlässen zur gemeinschaftlichen Betätigung